Eine-aussergewöhnliche-Rede-des-bolivianischen-Vize-Ministerpräsidenten--David-Choquehuanca
Ein Politiker, ein Indigener mit Philosophiestudium, beschreibt das Dilemma der postkolonialistischen Weltgesellschaft und entwirft eine Zukunfts-Vision, basierend auf dem Wissen der indigenen Völker.
(Auszug)
"Kommunizieren ist eine Pflicht, denn der Dialog ist ein Grundprinzip des Buen Vivir, des Guten Lebens.
Wir, die Völker der ursprünglichen Kulturen, der Kultur des Lebens, bewahren unsere Ursprünge seit Anbeginn der Zeit. Wir sind die Erben einer alten Kultur, die versteht, dass alles miteinander verbunden ist, dass nichts gespalten wird und alles zusammengehört. Deshalb wurde uns gesagt, wir sollen alle zusammen gehen, auf dass niemand zurückgelassen wird, auf dass jeder alles hat und niemandem etwas fehlt. Das Wohlergehen aller ist das Wohlergehen des eigenen Ichs. Helfen bedeutet zu wachsen und glücklich zu sein. Durch den Verzicht zum Wohle anderer fühlen wir uns gestärkt. Unsere Einheit zu spüren und uns selbst im Ganzen zu erkennen ist unser Weg. Er ist es heute, er war es gestern, er wird es morgen sein. Es ist der Weg, von dem wir uns nie entfernt haben und uns niemals entfernen werden.
... Es ist an der Zeit, wieder Jambae zu werden. Diesen Ausdruck haben unsere Guarani-Brüder für uns bewahrt. Jambae ist die Person, die niemandem gehört. Niemand auf dieser Welt darf sich einbilden, irgendjemanden oder irgendetwas zu besitzen. Seit 2006 arbeiten wir in Bolivien hart daran, unsere individuellen und kollektiven Wurzeln miteinander zu verbinden, um wieder wir selbst zu werden, zu unserer Mitte zurückzufinden, zum Taypi, zur Pacha, zur Ausgewogenheit, aus der die wichtigsten Weisheiten der Zivilisationen unseres Planeten entspringen. Wir sind dabei, unser Wissen zurückzugewinnen, die Grundlagen der Kultur des Lebens, des zivilisatorischen Kanons einer Gesellschaft, die in inniger Verbindung mit dem Kosmos, mit der Welt und mit der Natur lebt. Wir streben danach, als Individuen und in kollektiver Verbundenheit unser Buen Vivir, unser Gutes Leben und unsere Gemeinschaft aufzubauen und das Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft zu sichern. Wir sind dabei, unsere Identität zurückzugewinnen, unsere kulturellen Wurzeln neu zu entdecken.
Die Unantastbarkeit der Macht, das Manko der Revolutionen
Historisch gesehen wird Revolution als ein politischer Akt verstanden, der die Gesellschaftsstruktur und damit das Leben der Individuen verändert. Trotzdem ist es keiner der Revolutionen gelungen, das Wesen der Macht umzukrempeln. Macht hat weiterhin die Funktion, die Kontrolle über die Menschen zu erhalten. Das Wesen der Macht wurde nicht verändert, stattdessen hat die Macht es geschafft, den Verstand von Politikern zu vernebeln. Macht macht korrupt, und es ist sehr schwierig, den Einfluss der Macht und ihrer Institutionen zu regulieren. Aber hier liegt eine Herausforderung, der wir uns mit der Weisheit unserer Völker stellen werden. Unsere Revolution ist die Revolution der Ideen, sie ist die Revolution des Einklangs, denn wir sind überzeugt: Um die Gesellschaft, die Regierung, die Verwaltung, die Gesetze und das politische System verändern zu können, müssen wir uns als Individuen verändern.
Die Spaltung überwinden
Brüder, zum Schluss noch dieses: Wir Bolivianer müssen die Spaltung überwinden, den Hass, den Rassismus, die Diskriminierung zwischen Landsleuten. Keine Verfolgung der Meinungsfreiheit und keine Kriminalisierung politischer Positionen mehr. Schluss mit dem Machtmissbrauch! Die Aufgabe der Macht ist zu helfen. Macht muss rotieren, Macht, und insbesondere wirtschaftliche Macht, muss umverteilt werden. Macht muss zirkulieren, muss fließen wie das Blut in unserem Organismus. Wir sagen: keine Straffreiheit mehr, sondern Gerechtigkeit, Brüder. Wir brauchen eine Justiz, die wirklich unabhängig ist. Beenden wir Intoleranz und Missachtung der Menschenrechte und der Rechte unserer Mutter Erde. Der Anbruch dieser neuen Zeit bedeutet, die Botschaft unserer Völker zu hören, die aus tiefstem Herzen kommt, Wunden zu heilen, einander mit Respekt zu betrachten, unsere Heimat wiederzugewinnen, gemeinsam zu träumen, Brüderlichkeit, Harmonie, Einklang und Hoffnung aufzubauen, um Frieden und Glück für die kommenden Generationen zu schaffen. Nur so können wir unser Gutes Leben erreichen und uns selbst regieren."
Siehe dazu auch
Langlotz, "Zukunft für alle - oder kurzer Profit für Wenige?: DIE GLOBALE KRISE ALS SCHLÜSSEL ZUM SYSTEMWECHSEL" Tredition-Verlag
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