Scholastik: Die Kathedralen mittelalterlicher Philosophie [nach|gedacht 22]
Der Begriff Scholastik kommt von „Schola“, die Schule. Eine hervorragende Schule ist das hochmittelalterliche Denken noch heute. Die Kunstform der Disputation, der Quaestiones und ihrer Debatten, nötigte zum Wettstreit um die Wahrheit und dazu, die Auffassung des Gegners zunächst in eigenen Worten wiederzugeben. Inhaltlich ist es die große Leistung von Denkern wie Thomas von Aquin (1225-1274) das antike, vor allem aristotelische Erbe mit der christlichen Offenbarung zu verbinden. Zwischen der Philosophie und der Theologie als Doctrina Sacra wurde unterschieden, doch nur, um beide aufeinander zu beziehen. Denn: Die Offenbarung vollendet die Natur, sie widerspricht ihr aber nicht. Und entgegen dem Vorurteil: Das philosophische Mittelalter ist alles, nur nicht finster. ... https://www.youtube.com/watch?v=A5F5mes8AuM
Die „Positivität“, also die Konkretheit von Religion hat Hegel von früh an beschäftigt. Religion ist, wenn auch im Modus der ‚Vorstellung‘ der Philosophie am nächsten. In ihr geht es um die Verbindung und Verschränkung des Absoluten und des Endlichen. Die Struktur der ‚Logik‘, dass der absolute Geist sich entäußert und die Endlichkeit begreift und ergreift, zeigt sich als Thema aller Religion: Als die wahre und absolute Religion erfasst Hegel freilich die christliche, weil es in ihr – und so nur in ihr – um das Menschwerdung des Absoluten geht, durch die „Negatio negationis“ des Karfreitags hindurch zu der Wiedergewinnung des Lebens.
Eine Aufklärung, die diese Wurzel vergisst, fällt in ihre eigene Nacht zurück.
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https://www.youtube.com/watch?v=gZoD_nLF8XQ
Marx‘ Hauptwerk ‚Das Kapital‘ ließ sich detailliert auf die ökonomischen Verhältnisse und auf die Deutung der liberalen Ökonomie (Adam Smith und andere) ein. In den Analysen schreibt er Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft fort, extrapoliert aber eine Selbstzerstörung des Kapitalismus, der Verelendung schafft. Die Proletarier können zu Subjekten der Geschichte nur werden, wenn sie durch Kader ein Klassenbewusstsein vermittelt bekommen. Der Idealzustand der „klassenlosen Gesellschaft“ bleibt blass, die „Diktatur des Proletariats“ ist von Marx als Zwischenphase analysiert worden.
Marx erwartete die Revolution in einem hochindustrialisierten Staat, namentlich in Großbritannien. Dass es dazu mit der Oktoberrevolution in Russland, einem autokratischen und weitgehend ländlich feudalen Staat kam, hätte Marx wohl selbst überrascht.
Selten in der Neuzeit griff ein Denken derart umstürzend in die Strukturen ein wie jenes von Marx: Man muss allerdings auch sehen, dass dies anders geschah als er es erwartete: List der Vernunft oder der Unvernunft?
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https://www.youtube.com/watch?v=tYL_qLq60EI
In der Pandemiezeit jagen sich die Nachrichten, vor allem die schlechten und eine kollektive Paralyse droht. Weiterdenkende Geister wie der Politische Philosoph, kundige Jurist und Ökologe Peter Cornelius Mayer-Tasch (*1938) denken deshalb vermehrt über Zuversicht nach: Eine Haltung, die mit Hölderlin das Rettende in der Gefahr sieht und aus Einsicht, Nachsicht und Vorsicht die Haltung der Zuversicht gewinnt, die auch in Krisen und mit ihnen zu leben weiss und sich nicht monothematisch verengen lässt. Seien Sie zuversichtlich und leben Sie in der Schönheit dieses Herbstes auf!
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https://www.youtube.com/watch?v=dTRRBfWy-OM
Im 19. Jahrhundert kommen akademische Außenseiter zu Wort und prägen, wenn auch mit Verzögerung, die philosophische und geistige Landschaft in Europa. Arthur Schopenhauer entwickelt seine pessimistische Philosophie, die nach einem Quietiv, dem Urwillen und dem Weg ins Nichts sucht, zwar während der Zeit Hegels und Goethes. Doch erst in den siebziger Jahren des Jahrhunderts entfaltet sich die Wirkung Schopenhauers im epochalen Maßstab. Friedrich Nietzsche bezeichnet Schopenhauer als seinen Erzieher, von dem er sich durch den Blick auf die Annahme und Verwandlung des Leidens in der Form der griechischen Tragödie absetzt,
Die akademische Philosophie indes bewegt sich einerseits im Kielwasser des Psychologismus. Die Geltung von Gedanken reduziert sich damit auf die Genesis. Andrerseits wird der Weg des Neukantianismus und der Wiederannäherung an Kant, freilich ohne die Metaphysik der Metaphysik und den Horizont des Dings an sich leitend.
Die bewegende außeruniversitäre Philosophie wirkt sich gerade auf Kunst und Literatur aus. Nietzsches Diktum, dass ohne Musik das Leben ein Irrtum sei, ist hier von exemplarischer Bedeutung.
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https://www.youtube.com/watch?v=7BGr3if6Hbc
Erst nach Abschluss seiner theoretischen Philosophie wendete sich Kant den Fragen von Recht und Politik zu. Im Hintergrund steht das epochale und erschütternde Ereignis der Französischen Revolution. Kant hatte darin zunächst durchaus ein Hoffnungszeichen gesehen: Einen wesentlichen Schritt zu der Freiheit, der allerdings im Blut des Jakobinischen Terrors unterging.
Kant entwickelt die Idee eines ewigen Friedens, der mehr sei soll als Waffenstillstand, der aber keineswegs zum Weltstaat führt. Denn Weltstaaten würden entweder zerbrechen oder sie drohen selbst despotisch zu werden.
Kant entwickelt demgegenüber eine Friedens-Idee, die auf der Grundhaltung freier, gewaltenteiliger Staaten: gegenüber dem Despotismus, begründet ist. Ihre Garantie ist freilich der begrenzte blaue Planet, die „Natura daedala rerum“.
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https://www.youtube.com/watch?v=7md_Asl2Flw
Im Dezember vergangenen Jahres verstarben zwei große Persönlichkeiten: Dieter Henrich und Joseph Ratzinger. Beide gehörten dem Jahrgang 1927 an. Mit ihrem Tod geht eine Epoche zu Ende.
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https://www.youtube.com/watch?v=N-MF0mKD12A
Im Denken der frühen Neuzeit spielt Nicolaus Cusanus, Nikolaus von Kues (1401-1464) eine kaum zu überschätzende Rolle: Er wagt es, den Zusammenfall der Gegensätze, des Endlichen und des Unendlichen, in den Blick zu nehmen und er tastet sich gegen Ende seines Lebens zum letzten und tiefsten Gottesnamen vor: Gott ist das „Können selbst“, die Bedingung der Möglichkeit von allem anderen, denn er darf nicht aus einem Gegensatz, er muss aus sich selbst erfasst werden.
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https://www.youtube.com/watch?v=L9cGcLod9-o
Zu seinem hundertsten Geburtstag rückt Hans Blumenberg (1920-1996) erneut in den Fokus. Er, halbjüdisch, der sein großes Werk frühen Verletzungen abrang, wurde am Ende gar zum „unsichtbaren Philosophen“, dem Sibylle Lewitscharoff später einen eigenen Roman widmete: Blumenberg mit dem Löwen zu seinen Füßen. Ich weise auf diesen wohl bedeutendsten Denker seiner Generation hin, der es sich und dem Leser nicht leicht machte und umso mehr fasziniert. Denn Blumenberg zeigt, dass der Mensch hoch gefährdet ist, aber nicht verloren.
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https://www.youtube.com/watch?v=0h9UA_ZukyQ