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26 May 2023 08:32:00 UTC
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Die langen Linien der Russophobie
Westliche Politiker und Publizisten können sich immer wieder extrem abfällig über Russland äußern, ohne dafür öffentlich kritisiert zu werden. Rhetorisch darf offenbar jedes Tabu gebrochen werden. Dieser negative Umgang, der in Bezug auf andere Länder kaum vorstellbar ist, geht weit über sachlich berechtigte Kritik an der russischen Staatsführung hinaus und ist in Kriegszeiten genauso beobachtbar wie in Friedenszeiten.
Die langen Linien der Russophobie
Westliche Politiker und Publizisten können sich immer wieder extrem abfällig über Russland äußern, ohne dafür öffentlich kritisiert zu werden. Rhetorisch darf offenbar jedes Tabu gebrochen werden. Dieser negative Umgang, der in Bezug auf andere Länder kaum vorstellbar ist, geht weit über sachlich berechtigte Kritik an der russischen Staatsführung hinaus und ist in Kriegszeiten genauso beobachtbar wie in Friedenszeiten. Die Verantwortlichen greifen dabei auf bestimmte Stereotype und Unterstellungen gegenüber Russland zurück, die schon seit Jahrhunderten wiederholt werden und sich tief ins westliche Unterbewusstsein eingegraben haben.
„Die einzige Wahrheit, die aus Russland kommt, ist die Lüge.“
Robert Habeck, deutscher Wirtschaftsminister (2022)
„Was ist das für ein Frieden, wenn man unter russischer Besatzung leben muss, jeden Tag die Sorge hat, dass man kaltblütig ermordet, vergewaltigt oder als Kind sogar verschleppt wird?“
Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin (2023)
Wenn westliche Politiker und Publizisten sich öffentlich über Russland äußern, dann geschieht dies nahezu ausschließlich in negativer und dabei oft auch in stark abwertender Weise. Ihre Ausführungen sind regelmäßig von bösartigen Unterstellungen geprägt und auffallend häufig fehlt jedes Verständnis für die russische Perspektive. Äußerungen russischer Politiker und Publizisten werden durchgängig als Propaganda und Lügen bewertet. Der russische Präsident darf krass beleidigt und mit den übelsten Figuren der Weltgeschichte auf eine Stufe gestellt werden. Russische Soldaten werden ausschließlich als Kriegsverbrecher, Plünderer oder Vergewaltiger präsentiert, russische Journalisten als verschlagene Infokrieger, russische Unternehmer als kriminell, Beamte als korrupt, ja die gesamte Bevölkerung des Landes als mehr oder weniger autoritätshörig, homophob und rückständig.
In die öffentliche Kritik ihrer Heimatländer geraten die westlichen Absender solcher Äußerungen dafür aber kaum. Es scheint eine Art Selbstverständlichkeit in der etablierten politisch-medialen Landschaft zu sein, dass Russland in einer Weise kritisiert und dargestellt werden darf, die im öffentlichen Umgang mit anderen Ländern – auch mit kriegführenden – kaum vorstellbar ist. Die Verantwortlichen greifen dabei auf feststehende Denkschablonen und negative Russlandbilder zurück, die bereits seit Jahrhunderten in westlichen Ländern reproduziert und lediglich begrifflich aktualisiert werden. Diese Russlandbilder sind durch permanente Wiederholung zu einer Grundwahrheit im Westen geronnen, die kaum noch hinterfragt wird.
Das Phänomen wird als „Russophobie“ bezeichnet.
Angst, Abscheu, Hass
Der englische Ausdruck „Russophobia“ wurde Anfang des 19. Jahrhunderts in Großbritannien geprägt, als dortige Politiker und Leitmedien – nach dem Ende Napoleons – Russland als neuen, gefährlichen Gegenspieler des Empire im öffentlichen Bewusstsein platzierten. Neu war das Phänomen auch damals nicht, nur fand sich ein prägnanter Begriff dafür. Der Ausdruck Russophobie stellte die Angst ins Zentrum – Angst vor russischer Ausdehnung in die Einflusszonen des damaligen englischen Weltreiches, etwa im Iran oder in Indien. Die „Russian Scare“ nahm derartige Ausmaße an, dass sogar der weit abgelegene Inselstaat Neuseeland in den 1880er Jahren eine Reihe von Küstenfestungen baute, um einen vermeintlichen russischen Angriff abzuwehren.
Das Phänomen Russophobie umfasst jedoch nicht nur Angst, sondern steht insgesamt für eine vorurteilsbehaftete, misstrauische und feindselige Haltung gegenüber Russland. Im deutschen Sprachgebrauch ist denn auch manchmal von Russlandhass oder Russenfeindlichkeit die Rede. Der Begriff bezeichne „eine ablehnende Haltung gegenüber Russland, den Russen oder der russischen Kultur“, so die dezente Definition in der deutschen Wikipedia. Während keine Variante des Begriffs im Duden auftaucht, heißt es im Collins English Dictionary deutlich: Russophobie sei „ein intensiver und oft irrationaler Hass auf Russland“.
Der Historiker Oleg Nemenski kritisiert solche Definitionen als trivial. Der Forscher von der Russischen Akademie der Wissenschaften hat sich in einem Essay (2013) tiefer gehend mit dem Phänomen befasst. Feindselige Haltungen habe es in der Geschichte überall und gegen zahlreiche Länder und Völker gegeben, schreibt er. Russophobie reiche jedoch viel weiter. Es handle sich um eine nahezu ganzheitliche Ideologie.
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